Sonntag, 28. Juli 2013

Im Rennstall sind die Pferde los!

Es ist 2.45 Uhr morgens, der Wecker klingelt, ich fluche. Die Frisur sitzt nicht, die Augenlider kleben schlaftrunken zusammen und Draußen ist es stockfinster. Manchmal regnet es, manchmal stürmt es auch, kalt ist es immer. Alles Geld hat seinen Preis, der Arbeitsalltag hat mich wieder, nur das es in Australien mehr als zeitig los geht.



Ich raffe mich jedoch auf und schlüpfe in die kalten Stallklamotten, drücke mir ein Nutella Brötchen zwischen die Zähne, fülle meine Trinkflasche mit heißem Wasser zum aufwärmen und ab geht es zu den Pferden. Im Rennstall angekommen, geht dann alles zur Routine über. Boxen misten, Pferde putzen und baden, Pferde füttern, Pferde von und auf das Laufkarussell führen und später in 3-4 Decken wickeln. Ab und an geht es auch zum Wasserlaufen in den Nachbarstall oder ich darf am Ende des Tages noch Vitamin - Injektionen geben bzw. Blut abnehmen. Ich gebe zu, spannend ist es nicht, aber ich arbeite auch um Geld für die Reise zu verdienen. Damit die Maus mit weißer Flagge, welche derzeit mein Konto bewacht, endlich den sorgenvollen Gesichtsausdruck verliert. ;)







In Australien ist das Rennpferdebusiness groß, vor allem hier in Melbourne gibt es hunderte an Rennställen. Es scheint mir einen recht großen Teil der Kultur auszumachen. So richtig verstehen kann ich es dennoch nicht, Pferde so sehr als Sportgeräte zu sehen. Naja, gut versorgt werden sie zumindest, zu gut würd ich sogar meinen; gefüttert wird bis ordentlich Speck auf den Rippen zu sehen ist. Die armen Viecher stehen allerdings auch 22 Stunden vom Tage in ihren Boxen oder Paddocks und bekommen dabei so hochprozentiges Proteinfutter, dass alle Energie und Langeweile in Verhaltens-Stereotypen umgesetzt wird. Die Hunde hier in Down Under sind im Übrigen nicht besser dran, auch sie werden in Decken eingepackt und schuckelfett gefüttert. Wie sagt man so schön, andere Länder, andere Sitten und im Bezug auf mich, anderer Beruf.




In dem Punkt hat mir die Reise auch eine wichtige Lektion gelehrt. Es ist manchmal schon fast komisch, wie sich Dinge in eine Richtung entwickelt, welche man so nie vorhergesehen hat und sich nicht mal bewusst war, dass Etwas, über welches man sich nie groß Gedanken gemacht hat, so fundamental sein könnte. So viele Reisende, die ich treffe, bemerken plötzlich, dass sie doch zu etwas anderem berufen sind, wechseln direkt ihre Arbeit oder orientieren sich neu, nach oder während der Reise, gehen zurück zur Uni oder bleiben gar im Ausland stecken um umzulernen. Entdecken verborgene Talente und versuchen ihr ‚altes‘ Leben abzustreifen.



Und bei mir? Da ist genau das Gegenteil eingetreten. Mit jeder Faser meines Körpers durch und durch fühle ich mich mehr als jemals zuvor bestätigt, dass ich bin was ich bin und das ich gut bin, indem was ich tue. Ich bin Tierarzt, das ist die 100% Realität, und ich werde und will auch nie etwas anderes sein. Es bedeutet mir die Welt, Tieren in Not helfen zu können und es gibt wenige Dinge, die mir so viel Spaß machen, wie eine frische Wunde zusammen zu flicken oder Bücher zu wälzen um nach seltenen Krankheiten zu forschen. Besitzern ein Verständnis dafür zu geben, was gerade in ihrem Tier vor sich geht und wie es zu behandeln ist, oder einfach einem Babykätzchen die Milben aus den Ohren zu putzen. Ein anderer Beruf? Nie im Leben! ;)


Und mit dieser neuen Weisheit, die nun wie ein Anker in mir verwurzelt ist, kommt die Reise schneller zu einem Ende, als gedacht. Das Jahr in Australien mit diversen Backpackerjobs wird eingetauscht, gegen einige Monate Reisen und meine nun doch ehemals geplante Rückkehr zum Leipziger Tierärztekongress im Januar. Neues medizinisches Wissen aufsaugen, die graue Masse mit Nahrung versorgen und nicht mehr als Stallmädchen arbeiten; hört sich doch super an. Ja, so unverhofft kann es manchmal kommen. Die richtigen Wege, finden sich beim Laufen.


Zugegeben, es ist nicht der einzige Grund. Denn die nächste Lektion folgt der Vorherigen auf wenigen Schritten. Im Ausland reisen und im Ausland arbeiten = 2 völlig verschiedene Dinge. Ich habe von Anfang an gesagt, dass der Alltag immer die schwierigste Aufgabe ist, im Leben zu meistern. Tag ein Tag aus, der Sklave seiner eigenen Lebenserhaltung zu sein, und dabei stets mit einem Lächeln durch die Welt zu gehen, sich dennoch Träume erfüllen zu können und ein Privatleben zu erhalten, ist eine Kunst, die oft in negativen Stress für unser Gemüt ausartet. In einer geliebten Gegend allerdings, oft Heimat genannt, mit einem sozialen Umfeld aus Freuden und Familie, gelingt es uns jedoch diesen Balanceakt zu tanzen. Und genau diese Geborgenheit fehlt in einem fremden Land. Und auch wenn es nicht unmöglich für mich wäre, so lebe ich doch bei dem Gesetzt: Sofern es in meiner Macht steht, tue ich nur das, was mich glücklich macht.


Australien tut dies leider nicht, so einfach ist das nun mal. Darum sehe ich es auch nicht als eine Option, meine Approbation für teures Geld hier anerkennen zu lassen. Man kann es drehen und wenden, wie man will, man kann es sogar umwerfen und neu aufstapeln, aber nicht ein einziges Mal habe ich mich so wirklich verbunden gefühlt mit dem roten Kontinent. Und ich weiß wie sehr ein Land mir ans Herz wachsen kann. Kanada wollte ich nicht verlassen, 6 Jahre zuvor, und noch immer habe ich Sehnsucht nach diesem Ort mit all den Bergen, Wäldern und wilden Tieren, mit den Tälern voller Flüsse und dem einsamen Ruf des Loon. Und auch den vielen lieben Menschen dort, die stets höflich und so voller Freude sind. Anders als in Australien, wo es schlechte Laune und die ‚wie ziehe ich meine Mitmenschen über den Tisch‘ – Überraschungstüte gratis zu den überteuerten Lebensmittelkosten dazu gibt.

Kanada 2007

Zynismus ist der halbe Alltag hier! Nein, haha, so schlimm ist es natürlich nicht. Es gab auch durchaus Erstaunliches. In Deutschland hätte ich zum Beispiel nicht innerhalb von 2 Stunden eine sofort beziehbares WG Zimmer gefunden. In Australien ist das kein Problem. Und ich wohne auch noch recht nah an meiner Arbeitsstelle und kann somit zumindest zu den Nachmittagsschichten mit dem Fahrrad radeln. Zugegeben meine Mitbewohner sind schon etwas eigen. Beide kommen aus dem Rennstallbusiness und sind milde ausgedrückt, eben anders. Wo die Eine ein Schräubchen zu viel locker hat, sitzen sie bei der Anderen zu fest. Ich versuche mich in die 1000 Hausregeln so gut es geht einzugliedern, aber ehrlicherweise, denke ich, die Zeiten in einer WG mit Fremden zu wohnen sind einfach vorbei.. Die eigenen 4 Wände lernt man da gleich wieder schnell zu schätzen. Genau wie ein von intelligenten Menschen konstruiertes Haus, mit Isolierung, wo die Klamotten nach einer stürmischen und kalten, verregneten Nacht nicht klamm und halb erfroren am Morgen übern Bettgestellt baumeln, wie beim Zelten unter freiem Himmel im Frühling; und der Raum die Durchschnittstemperatur von 17° nicht unterschreitet. Diese feuchte Kälte hier, ein kleiner aber fast täglicher Albtraum. Brrr….


Naja immerhin gibt es noch einen weiteren recht freundlichen Mitbewohner, der mit seiner stets guten Laune mir den Tag versüßt und einem großem drolligen Teddybär gleichkommt: Hund „Capone“ oder liebevoll „Pony“ genannt.
 

Die Wochen vergehen jedoch nur langsam, im Gegensatz zu vor meiner Reise, wo die Tage nur so davon geflogen sind. Stillstehen, anstatt vorwärts während einer Reise ist für eine kurze Pause meist ein Segen, für längere Zeit jedoch erscheint es wie Zementblöcke, die an den Beinen haften und ihrem Träger nicht zurück in die Welt entlassen wollen. Es fühlt sich körperlich auch danach an. So viel Muskelkater hatte ich lange nicht. Ob Handgelenk, Schulter oder Füße, Arbeit mit Pferden ist hart. Immerhin gibt es auch einen netten Nebeneffekt: Ich baue wieder Fitness auf und die restlichen Pfunde purzeln nur so dahin. Bald ist die Bikinifigur wieder Strandtauglich. Das salzige Nass leider hier in Mornington, viel zu kalt im Frühling.


Melbourne hat mir noch ein weiteres nettes Ereignis beschert, nach gut 2 Jahren habe ich einen lieben Freund aus meiner Studienzeit in Leipzig hier getroffen, der auch um den Globus reist und ebenso eine Zwischenstation einschiebt um die Reisekasse wieder aufzufüllen. Die Welt ist klein und doch so groß. Die schönsten und verrücktesten Reisegeschichten wurden ausgetauscht, der neuste Tratsch und Klatsch erzählt und ein leckeres Essen gekocht.



Und weil wir uns nostalgisch fühlten, nach all den Erinnerungsschüben aus Uni-Zeit und Globetrotten, gab es ein Foto und noch ein Match im Magic-Kartenspiel. Zwei zu Eins für mich mit viiiieeel Hilfe vom Ex-Turnierspieler, haha.

Einen Junkfood-day bei McDonalds einlegen und die wenigen Stunden Tageslicht im guten sächsischen Dialekt verbringen. Muss eben auch mal wieder sein.






Meine Freizeit verbringe ich sonst, neben Schlaf nachholen, zumeist in der Stadtbibliothek, denn dort gibt es freies Internet. Ich update die Blogeinträge, gehe meiner zweiten bezahlten Arbeit nach; dem Übersetzen einer Website eines Freundes ins Englische und plane meine Route durch den Südostasiatischen Teil unserer Erde. Neuseeland muss nämlich erstmal wieder hinten anstehen. Zu teuer und zeitaufwendig allein, komme ich dafür irgendwann in den nächsten Jahren mit treuer Reisepartnerin zurück, wie für die meisten Sehenswürdigkeiten hier in Oz. Denn wenn es bereits ein Versprechen an mich selbst gibt, nach nun fast einem Jahr, dann doch Eines, es wird nicht die letzte längere Reise sein. So viel ist noch verborgen auf diesen Planeten, so viele Länder unentdeckt von mir, dass ich nie still sitzen werde. Reise, lerne und erfahre, lass dich verzaubern bis du all die Antworten gefunden hast und neue Fragen stellen kannst. ;)

Meine recht grundlegende Frage während ich diese Worte schreibe ist allerdings weniger philosophisch, sondern betrifft die Funktionalität und das weitere Durchhaltevermögen. Sie richtet sich an mein Netbook mit dem gesprungenen Bildschirm, den mein Adapter zerstört hat, welcher zufälligerweise, durch einen Stromschlag, nun auch hinüber ist. Meine Reiseutensilien scheinen Abschied nehmen zu wollen von mir. Sollte ich das persönlich nehmen? Fragen über Fragen…




Wie dem auch sei, ich will noch ein wenig die seltenen Sonnenstrahlen am Strand genießen, denn ab 5 Uhr abends werden hier auch schon die Bornsteinkanten hochgeklappt. Ladenschluss bis 8 oder 9, das gibt’s nur in Europa wie mir scheint. In dem Sinne, bis bald und frohes schaffen im Arbeitsalltag an alle daheim gebliebenen. In Australien ist dieser nicht viel anders. ;)


Donnerstag, 4. Juli 2013

Jobsuche in Oz

Da war ich nun. Mit Google und diversen Jobseiten für Australier und Nicht - Australier. Alle versprachen das große Geld, alle kamen mit einem Haken. Ich bin ehrlich, auch ich habe meine naiven Momente im Leben. Das registrieren bei Jobs4travellers war so ein Moment. Die Website sah ganz ordentlich aus, nur Lebenslauf und Personendaten hochladen, und schon regnet es nur so von Jobangeboten. Denkste… Es wurde der gleiche Mist zugeschickt, den ich auch kostenlos bei Gumtree (Australiens eBay für alles) einsehen konnte.


Also habe ich Bewerbungen geschrieben, so viele wie vermutlich noch nie in meinem Leben. An diverse Australische Zoos, sowie Farmen, Hundesalons und Reitställe. Und es zeigte sich, ich bin gar nicht so schlecht im verfassen englischer Lebensläufe und Anschreiben, denn dafür wurde ich stets gelobt, wenn es auch eher Absagen als Zusagen regnete. Das Problem, ich war oft zu überqualifiziert, nicht für langfristig einstellbar aufgrund des Visums oder die Sache mit dem eigenem Auto, hat den Job-Deal zum Scheitern verurteilt.

Nun gut, dachte ich mir, dann eben nur Backpacker-Jobs. Ich habe mich auf eine Anzeige gemeldet, die Traveller zum Orangenpflücken gesucht haben. 800 Dollar die Woche sollte ich verdienen, ich musste nur ins absolute Nirgendwo nach Mildura reisen und dort in ein vorgeschriebenes Arbeitshostel einchecken. Achja und die Vermittlungsgebühr bezahlen. Da war er wieder, der Haken! Ich habe mir dennoch positive Gedanken gemacht und bin in den Greyhound-Bus zur Fruitpicking- Stadt ins Australische Nimmerland.


Das Hostelpersonal hatte mich auch noch brav vom Bus abgeholt. Dann jedoch sollte es kommen, das mulmigen Gefühl. Irgendwas stimmte nicht! Im Hostel angekommen, sollte ich für 10 Tage im Voraus bezahlen. „Das ist bei uns so“ wurde mir gesagt „es wird wöchentlich und nicht tageweise bezahlt“, yada yada yada. Mm…, Okay, wenn ich morgen anfangen kann mit Arbeiten, so wie mir per Email und Sms bestätigt wurde, dann sollte es kein Problem sein. Nachdem ich eingecheckt hatte, wurde mir das eher trostlose Gebäude vorgestellt.

'Oh Mist, was für kleine Kajüten sind das denn? Alle Backpacker mit 3 Tage Regenwetter-Miene, und irgendwie komisch, dass so gar Keiner auf Arbeit ist.' Ich zitiere wörtlich: „Wenn du klug bist, packst du deine 7 Sachen und machst dich sofort aus dem Staub. Das ist alles verarsche hier, die haben keine Jobs, nur Versprechungen, die nicht gehalten werden; die wollen nur die Kohle fürs Hostel.“ Schluck! Oups! Daher also der flaue Magen. Ich habe natürlich sofort an der Rezeption meine Situation klar gemacht; ich kann nur bleiben, wenn ich auch arbeiten kann, denn ich bin pleite. „Ja, ja, du bist auf dem Board, der nächste Job ist deiner.“ Mmm. Tief durchatmen, anscheinend sind ja doch einige Backpacker arbeiten. Oder auch nicht wirklich, wie sich später am Abend heraus stellte. Einige hatten zwar Arbeit, aber nur für 2 Tage die Woche, und dann gerade mal für 4 Stunden. Das konnte es nicht gewesen sein! Auch, wenn mir immer wieder von der Hostelleitung versichert wurde, ein wenig Geduld zu haben, lies das ungute Gefühl nicht nach, dass ich hier genauso versacken könnte, wie die Hälfte der anwesenden Reisenden, die mehr oder weniger nun gestrandet waren, da sie nicht mal das Geld für ein Rückflugticket auf dem Konto hatten. So gnadenlos wurden sie zur Kasse gebeten vom Arbeitshostel.


Ein Tag hin oder her, ein Fluchtplan musste her. Der Haken, ich hatte bereits für 10 Tage bezahlt und sah es nicht ein, dem Geld so einfach ‚goodbye‘ zu küssen. Also wurde der innere Mediziner auf die Matte gerufen, und ich habe mich weniger auf Diskussion, sondern auf mein Asthma berufen, dass hier im kühleren Klima und den winzigen staubigen Schlafsälen, viel zu stark aufgeflammt war, als dass ich Medikamente zu mir nehmen kann. Hehe, zu irgendwas muss die olle Allergie ja mal gut sein. ;) Und tatsächlich, allen bösen Omen zu trotz, es hatte funktioniert. Ich habe einen großen Teil meines Geldes wieder bekommen und habe noch in der gleichen Nacht diesen grausamen Ort der ausgenommenen Weihnachtsgänse Backpacker verlassen.


Wie? Wohin? Nun ja, an dieser Stelle muss ich sagen, 1000 Dankeschöns an meinem lieben Freund Andrew aus Canberra, der mir sein Haus als Zufluchtsstätte angeboten hat, damit ich in Ruhe und ohne Gelddruck einen Job finden kann. Als ich ihm von meiner Situation im Arbeitshostel berichtet hatte, was alles was ich hörte „Come back, you can stay with me.“

Und es war wirklich wie nach Hause kommen, als ich zurück in Australiens Hauptstadt mit einer mir vertrauten Seele in einem normalen mir vertrautem Haus mit sauberen Bädern und Betten, sowie eigener Küche und Stube ein normales Leben für die nächsten 4 Wochen führen konnte. Naja fast, erstmal hatte ich mir ne saftige Erkältung eingefangen und habe nach 2 Tagen schlimmsten Halsschmerzen, verstopfter Nase, leichtem Temperaturanstieg, Gliederschmerzen, welche mich kaum laufen lassen haben und beginnender Bronchitis, die Antibiotika ausgepackt. Oh man, der Infekt hat mich vielleicht hin gerädert. Und der arme Mitbewohner musste dann auch durch. Wie sagt man so schön, geteiltes Leid ist halbes Leid.

Jedenfalls, ging es danach wieder von Vorne los mit Bewerbung schreiben und auf Anrufe warten und das zog sich hin wie Kaugummi an der Schuhsohle. Immerhin konnte ich jeden Tag ausschlafen und während Andrew auf Arbeit war, hatte ich die Hütte für mich allein, hab ab und an zwischen Job suchen und Haus putzen die Überschwemmungsnachrichten bei Punkt12 auf der Website angeschaut und mich mit dem winterlichen Canberra angefreundet. Außer Haus und im Haus, denn Australier sind zwar fortschrittlich, aber von einer gescheiten Isolierung ihrer Häuser und Wohnungen haben sie noch nichts mitbekommen. Und wen wundert es da noch, dass die heiße Luft aus der Decke kommt anstatt von unten... *kopfschüttel* Physik, Note 6! Jedenfalls war die Stadt den Temperaturen entsprechend geschmückt. Es fühlte sich teils an wie Weihnachten. Die Bäumchen haben hier im Winter nämlich auch Lichterketten.


Natürlich haben wir zwei auch gemeinsam ein wenig die Freizeit genossen und sind in den naheliegenden Park auf dem Spielplatz Seilbahn gefahren, haben Airhockey gespielt, sind ins Kino, waren Schaufensterbummeln und ich habe Andrew sogar im Bowling geschlagen, hehe. Virtuell auf der X-Box und im Realen. Sogar zum Golfen hab ich mich überreden lassen. Das war allerdings ein Reinfall. So ein Spießerspiel, man oh man, von wegen Spaß haben. Regeln Regeln Regeln und nochmal Regeln; und einfach mal drauf los ballern is net drin. Einmal und nie wieder!


Aber auch Couchtage wurden eingelegt und Film-Marathons mit Schokolade durchgezogen. Und wer hätte es gedacht, ich habe mich zu einem Videospiel überreden lassen, wo man Zombies mit Pflanzen bekämpft. Klingt lustig, ist auch so. Ab und an bin ich auch mit dem Fahrrad in den Park und habe die vielen Vögelchen bewundert, unter anderem, natürlich wieder die rosa Sittiche und die schwarzen Schwäne, denn in Australien ist eben alles genau anders herum.


Und die Zeit rannte nur so davon. Ich fühlte mich wohl und je länger wir zusammen wohnten umso mehr mochten mein Retter in Not und ich uns. Es war ein wenig wie in einem Märchen und doch leider nicht die große Liebe, aber doch so viel mehr als wir erwartet hatten. Ich kann nun wirklich sagen, ich habe einen echten Freund, der mir so viel bedeutet, dass ich nun doch einen kleinen Teil meines Herzens an Australien verliere. So wie die Wildnis in Kanada und die Tiere in Afrika, hat nun auch dieser Kontinent etwas Besonderes, dass ich vermissen werde. Und es wird mir schwer fallen, ihn zurück zu lassen, wenn ich irgendwann weiter reise…


Und das ging nun plötzlich schneller als gedacht... Aufgrund eines nicht vorhandenen Autos, habe ich leider den Job beim Hunde-Daycare-Service nicht bekommen, auch wenn die mich liebend gerne genommen hätten. Und somit bleibt mir nicht sehr viel anderes übrig, als nach Melbourne zu gehen, wenn ich mit Tieren arbeiten will. Und das war meine Bedingung geworden, als ich von Laden zu Laden mit meinem Lebenslauf in der Hand gewandert bin. Nein, ich möchte keine T-Shirts verkaufen. Ich kann super mit Tieren umgehen, ich kann sie lesen, wie ein Buch, ich kann sie verstehen und ich möchte, wenn ich schon nicht in meinem eigentlichen Beruf als Reisende arbeiten kann, wenigstens meine Zeit mit ihnen verbringen. Und es sah nun mal so aus, dass in Mornington, einem recht ländlichen Stadtteil Melbourne‘s noch Bodenpersonal für die Pferde im Rennstall gesucht wurde. Eine gut bezahle Stelle und ja, sie würden mich gern einstellen.

Also schnüre ich nun mein Päckchen und fahre zurück an die Küste. Diesmal etwas kühler, denn es geht noch weiter südlich. Und so heißt nun schneller Abschied nehmen als geplant. Auf geht es, erneut, in die Fremde, zurück in den Alltag, und das auf der anderen Seite der Welt…


So eine Reise kann einem manchmal recht unerwartete Hindernisse in den Weg setzen und das Durchhaltevermögen ganz schön unter Druck setzen. Der Grad zwischen Aufgeben und ohne Abstriche seinen Weg gehen zu wollen, ist ein Balanceakt, den man nicht leichtsinnig angehen sollte. Die Frage bleibt stets die gleiche, jeden Tag, der mir dieses Abenteuer beschert. 'Macht es mich glücklich?' Ich habe den Irrgarten eine Stelle zu finden, die mir meine letzte Etappe dieser großen Reise finanzieren wird, geschafft.

Die Wahrheit ist jedoch, es ist alles andere als leicht in Australien einen Job zu finden der gut bezahlt wird. Viele Arbeitgeber bezahlen nur einen Hungerlohn an Backpacker, lassen uns für Essen und Wohnen arbeiten, stellen uns nicht ein, da wir nicht langfristig arbeiten können aufgrund des Visas oder weil wir keine Chance haben überhaupt zum Arbeitsort zu gelangen. Wir sind eine ungewisse Investition. Klar, Backpacker sind ein Teil der Kultur, aber für die meisten Australier eben auch ein Rohstoff der nachwächst. Verlässt ein Reisender das Land pleite, kommen dafür gewiss 10 Neue nah, mit Geld im Rucksack und Träumen, die sie sich erfüllen wollen. Gefühlte 8 werden scheitern, Einer wird klug genug sein, das Land schnellst möglichst zu verlassen und der Andere hat Glück und findet Arbeit mit der er seine Reise tatsächlich fortsetzen kann. Der Weg dahin ist hart und Betrüger gibt es leider mehr als man vermutet und ich glaube nicht, dass ich ihn nochmal gehen würde wollen. So besonders der 5te Kontinent auch ist, mit seinen Beuteltieren und giftigen Spinnen, Quallen und Schlangen, so ungewiss ist es auch hier zu überleben.