Dienstag, 26. Februar 2013

ein Geburtstag in der Karibik


Nun kam es doch, wie es kommen musste. Der 30. Geburtstag stand vor der Tür und ich musste ihm Einlass gewähren. Die 29 musste ihr Köfferchen packen und es hieß auf nimmer wieder sehen für die Zwanziger. Immerhin dieses Jahr ohne Schnee und Regen mit Sonne am warmen, karibischen Meer. So war der Plan! Und er wurde direkt in die Tat umgesetzt.


Meine letzten Tage in Südamerika waren stressig zwecks Routenplanung, aber auch ruhig in Sachen Unternehmungsgeist. Ich habe mich das erste Mal im Couchsurfen versucht und wohnte 2 Tage kostenlos im Zentrum der Stadt in einem fast gläsernen Apartment. Mein Couchsurfing-Gastgeber hatte allerdings eine leidenschaftliche Vorliebe für Fußball und schleifte mich mit auf ein Spiel. Es war wie zu erwarten, eher langweilig. Dennoch konnten wir uns ein wenig übers Reisen unterhalten. Er war sogar schon in Deutschland und seine Lieblingsspeise war dunkles Brot mit Butter und Honig. Er kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Ich war danach hungrig.


Sonst haben wir nichts groß unternommen. War auch egal, es ging sowieso nach Zentralamerika. Mit einem ganzen Tag in der Luft und zweimaligen Umsteigen, war ich auch schon in Belize angekommen. Hohe Luftfeuchtigkeit, die Sachen klebten, Sonne ohne Gnade, türkisblaues Meer auf Badewannentemperatur und weißer Strand - hier war ich richtig. Es ging auch direkt zum Riff mit dem Wassertaxi auf eine der Backpackerinseln ins erstgelegene Hostel und ich wurde mit einem wunderschönen Sonnenuntergang, Rum und chilliger Musik zum entspannen begrüßt.


Fünf lange Tage habe ich dann in Belize das karibische Feeling in mich aufgesaugt und neben Faulenzen einen Schnorcheltrip zum Riff gebucht. Ja, hier in im Karibischen Meer gibt es das zweitgrößte Riff der Welt und es ist kunterbunt, voll von Korallen und Fischen. Ich bin endlich mit Haien geschwommen und konnte sie sogar streicheln. Sehr niedlich, man mag denken, die Guten fühlen sich glatt an, aber nein die Schuppen sind rau, wie Sandpapier nur gröber und doch irgendwie geschmeidig, wie Perlen. Es ist eigenartig, und irgendwie schwer zu beschreiben, so wunderschöne Tiere.


Und riesige Stachelrochen hab ich gesehen, die nur ca. 2m unter mir, wie fliegende Teppiche über den Sand geglitten sind. Und damit meine ich, im Durchmesser so groß wie ich. Sie suchten Gehäuse der Riesenmuscheln nach Resten ab und waren fast sogar schon zahm. Es waren an die 20 Rochen auf einmal, und mein Herz klopfte wie wild bei diesen unerwarteten, wundervollen Anblick.


Auch Meeresschildkröten gab es zu sehen und riesige Fische, wie z.B. den berühmten Barrakuda. Das Meer ist traumhaft, auch bei Nacht. Mit Wassertaschenlampe bewaffnet, habe ich beim Nachtschnorcheln Moränen, Hummer und Taucher im Dunkeln bewundern können. Das ist schon eine andere Welt. Wie angewurzelt und mit fasziniert aufgerissenen Augen schwebte ich dann im Wasser als ich einen großen getüpfelten Adlerrochen vor mir über das Riff ‚fliegen‘ sah. Wunderschöne Tiere. Ich war so verzaubert, dass ich es nicht mal geschafft hab auf den Auslöser der Kamera zu drücken. Okay, zugegeben, die Fotos bei Nacht im Wasser sind sch furchtbar, aber die Filme werden recht gut dank LED – Kamerascheinwerfer. Hehe.


Nach Belize beschloss ich in Mexiko einzuwandern und buchte mein Ticket für den 16 Februar zur Grenzüberschreitung. Da wurde ich dann auch belehrt, dass ich überall in Zentralamerika eine Ausreisegebühr zahlen muss. Klingt komisch, ist aber so!
Nun denn, nach einer Überfahrt bei einem Wellengang der übers Boot hinaus plätscherte, kam ich ein wenig grün im Gesicht in Chetumal an. Und nachdem sich der Grenzbeamte endlich ausgeflirtet hatte, konnte ich auch in den Bus nach Playa del Carmen einsteigen.


Und dann...Wie beschreibt man das Gefühl von einem schäbigen Hostel in Belize in einen Luxustempel in Mexico einzuchecken? Überwältigend. Nicht das ich Luxus brauche, normalerweise bin ich sehr zufrieden mit gemütlichen Hostels im Grünen und netter Gesellschaft von Mitreisenden, aber… das war schon Krass! Eine Welt für sich. So lässt es sich gut gehen, im Urlaub vom Reisen!



Nachdem ich mit einem grünem Hotelarmband gekennzeichnet war, durfte ich mich wie alle Anderen über ein enormes, immer nachfüllendes Buffet hermachen, den hoteleigenen Urwald besuchen, kleine Mayaruinchen bestaunen und am Strand mit einem leckeren Milkshake den Tag vorbeiziehen lassen.


Die Anlage war so groß, dass ich mich anfangs sogar verlaufen hatte. Es gab auch ein paar Nasenbären und Waschbären die mit Pommes-Klau an der Snack-Bar für Unterhaltung sorgten, und bunte Vögel überall, sowie Iguanas am Weg.

Ich bin allerdings am ersten Tag direkt in den SPA-Bereich abgebogen; das musste sein!




Natürlich war das tollste, dass ich nicht nur meinen Geburtstag mit 5 Sternen feiern durfte, sondern vor allem mit Familie, denn die lieben Eltern waren aus Deutschland für eine Maya-Rundreise ‚zufällig‘ in der Gegend.
Nein ;) Es war natürlich so geplant gewesen, dass wir uns auf der Yukatan-Halbinsel treffen und ein wenig Zeit zusammen verbringen.


Also quartierte ich mich wie zu alten Zeiten meiner Kindheit im Zimmer mit ein und verbrachte eine schöne Woche entspannt unter Palmen am Meer, und der lange Zeit unausweichliche Geburtstag war alles andere als schrecklich. Ich bekam Emails und Facebook-Nachrichten und mir wurde auf Skype und per sms gratuliert und mit lieben, teils neckischen Worten in den Ü30 Club aufgenommen.





Abends gab es im Hotelrestaurant sogar noch einen kleinen Geburtstagkuchen für mich und wir stießen auf vergangene und noch folgende Jahre mit einem Glas Bananensekt an.


Am übernächsten Tag hieß es dann Leinen los für einen Vergnügungspark unter der Erde. Yukatan ist von einer Art Tropfsteinhöhlensystem untertunnelt. Man kann darin Tauchen, Schnorcheln oder eben Planschen. Das hat sich der Park zu Nutze gemacht, und innerhalb von 3 Etagen einen Hochseilgarten, eine Jeepstrecke, sowie Paddeln und Schwimmen auf und im unterirdischen Fluss durch die Höhlen, in eine Abenteuerstrecke umfunktioniert.


Toll, sowas erlebt man nicht alle Tage. Die Dunkelheit und Stille um mich herum im endlosen Tunnelsystem ist eine Erfahrung für sich. Hier und da hört man es plätschern, dann andere Stimmen weiter weg und nur kleine blaue Lichter im Wasser, welche den Weg für das Floß, geleiten. Und in einem Irrgarten aus Stalaktiten und Stalakmiten gleitet man durchs klare Wasser unter der Erde und erhascht manchmal einen Blick auf die Wurzeln der Bäume, die überirdisch wachsen und wie vergessene Seile von der Decke hängen.


Auf der Rückfahrt gab es dann noch ein recht metzgerhaftes Unterhaltungsprogram. In Farbe, und mit all den unzensierten Grausamkeiten, durften wir das Abschlachten der Maya durch die Azteken auf der Leinwand bestaunen. Man man man, und sowas im Urlaubsbus. Da war die Mayashow mit Trommelmusik und Feuertanz schon spannender und netter anzusehen, auf dem Gelände der Anlage. Bunt bemalt in den Kostümen von Jaguar, Affe, Reh und Eule wirbelten die Tänzer durch die Nacht und würdigten, unter Einnebelung ihrer Zuschauer mit räuchernden Gewürzen, die Götter ihrer Vorfahren.


Ich muss sagen, der Urlaub hat gut getan und vertraute Gesichter sowieso. Ein Stück Heimat so fern von zu Hause… Es wärmt die Seele. Nun bin ich wieder allein unterwegs und mir gefällt Mexico recht gut. Ich habe mich entschlossen die Nordroute zu touren, welche Yukatan, Guatemala, Belize und Honduras einschließt, und werde hoffentlich viel erleben im Reich der Maya. Was soll ich sagen, bis jetzt sind die 30er gar nicht so übel. ;)

Samstag, 9. Februar 2013

am Ende der Welt

Man sagt, hier im Süden läge das Ende der Welt. Doch endet die Welt nicht überall, egal an welchem Punkt man sich befindet? Endet sie überhaupt, wo sie doch rund ist und nicht enden kann? Und doch, in Patagonien beschleicht mich das Gefühl, dass Etwas dran sein könnte, an diesem Gerücht. Das weite offene Land, unüberschaubar für den Betrachter, fließt ins Unendliche, wo der Horizont ins Meer zu stürzen scheint oder sich an die steilen Berghänge der Anden schmiegt, welche wiederum in die Fjorde auslaufen. El Fin del Mundo, das Ende der Welt. Nur das Eis und die Kälte der Antarktis liegen noch südlicher. Es ist ein einzigartiger Zauber, den dieser Landstrich auf mich ausübt. Man kann den Blick nicht von dieser Leere wenden, wenn über hunderte Kilometer kein einziges Zeichen einer Zivilisation zu sehen ist.


An der Küste, in Puerto Madryn, gab es allerdings noch Zivilisation. Es war sogar ausgesprochen touristisch hier und ich habe als erstes eine Seeelefantenkolonie besucht. Sehr nah kann man hier an die Tiere heran, wenn man erstmal den steilen, sandigen Hang herunter geklettert ist. Die Bullen und Weibchen sind bereits abgewandert, nur die moppeligen Junglinge verweilen um diese Jahreszeit und duellieren sich im jugendlichen Übermut.


Vorsichtig haben wir uns heran geschlichen, bis uns die kleine Gruppe mit ihren riesigen schwarzen Knopfaugen verwundert angeguckt hat. Und man muss automatisch schmunzeln. Niedliche kleine Kerlchen. Unschuldige Blicke in dieser rauen Natur.


Ich habe in Argentiniens populärster Hafenstadt auch endlich meine Reisebegleitung getroffen. Julia und ich, hatten uns im November am Machu Picchu kennen gelernt und uns hier wiedergefunden, um für ein paar Tage zusammen zu Reisen. So wurde etwas Leckeres gekocht und viel erzählt und ein Plan für die weitere Route geschmiedet. Dann ging es zu den Delfinen. Schließlich wird eine Garantie von 99% gegeben, dass man sie ganz sicher findet in der Bucht.
Wir waren die 1% Ausnahme! Zu viel Wind, zu hohe Wellen, keine Sicht. Aber wir durften ohne Aufpreis noch einen Versuch starten, also gingen wir 2 Tag später bei fast Windstille und Sonnenschein wieder aufs Boot; und siehe da, bereits nach 20 Minuten ging der Spaß auch schon los.


Eine riesige Schule von Dusky Dolphins schwamm, sprang und surfte neben, vor und hinter dem Boot mit einem Speed, der Kamera teils ins Leere klicken lies. Wohoo! Sogar Saltos haben die Männchen gemacht um die Weibchen in der Gruppe zu beeindrucken. Genial! Es waren so viele; so viele von diesen wundervollen Tieren auf einmal. Ich kann nicht mal sagen warum, aber Delfine machen glücklich, auch mich, es ist unbeschreiblich! 

Mit diesem perfekten Erlebnis, ging es mit 2 stündiger Verspätung unseres Busses nach El Calafate zum Los Glaciares Nationalpark. Das war eine Busfahrt von gut 20 Stunden, die sich zu zweit als recht erträglich heraus gestellt hat. Ist ja nicht so, dass man sich die Zeit vertreiben kann, weil es viel zu Sehen gibt.





La Tierra Infinita geht, wie der Name vermuten lässt, weiter und weiter und weiter. Nur Staub, dürres Gras und zwischendrin Sträucher. Diese sind allerdings ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr da, und es fühlt sich an, als betrachte man ein unfertiges Gemälde. Irgendwann ist dann auch das Gras weg von der Bildfläche und selbst wenn es unwahrscheinlich erscheint, wartet man auf den Moment, wo schlussendlich auch der Sand verschwindet.

Das passiert natürlich nicht, der trockene Boden geht in festes Gestein und schließlich in die raue Bergwelt der Anden über, wo tatsächlich irgendwann sogar wieder Bäume stehen und Gletscherseen, mit ihrem milchig-grau trüben Wasser die Steppe unterbrechen. Und dann ein Haus, mehr Häuser, Schafe, Pferde und wir hatten El Calafate erreicht. Es sah allerdings aus wie im Norden Europas, die Häuser so gar nicht spanisch!

Ein Hostel war schnell gefunden und am Folgetag ging es auch gleich zum Perito Moreno, dem größten der Gletscher hier im Nationalpark. Was für Eismassen sich da die Berge herunter schieben, begreift man erst, wenn man vor der meterhohen Eiswand steht und es Knacken und Krachen hört. Der Gletscher arbeitet die ganze Zeit und der Schall trägt die Töne durch die Spalten im Eis nach außen. Wie ein sommerliches Gewitter knallt und donnert es anschließend, wenn die Eisbrocken träge vom Gletscher abbrechen und in den See stürzen. Hammer!


Auch wie der Gletscher zusammenläuft oben an den Berghängen ist faszinierend. Konstant schweben Wolken über den höchsten sichtbaren Punkt und lassen die weiße gefrorene Masse mit neuem Schnee wachsen. Auch wir hatten etwas Schnee, allerdings bei 20° und Sonne. Da musste ich gleich mal die Gelegenheit ergreifen und ein paar Bilder mit meinem Maskottchen machen, welches seit Weihnachten mit mir auf Reisen ist. Die anderen Besucher lachten: ein Eisbär so nah am Südpol, das geht doch nicht! ;) Tja meiner kann‘s doch, der darf sogar mit in die Karibik und Down Under! :D


Nach einem faulen Tag mit Stadtbummel und organisatorischen Krims-Krams erledigen, haben wir für den Folgetag noch eine Schifffahrt zu den beiden anderen Gletschern gebucht. Wenn auch teuer, war es uns die türkisblauen Eismassen wert. Inmitten durch die Eisbergfelder vor den Gletschern zu gondeln ist ein Erlebnis. Nochmals eine riesige Wand voller Spalten und Furchen im blau schiller Eis zu Gesicht zu bekommen. Die Natur so hautnah, so erbarmungslos, so lebensfeindlich und so majestätisch zugleich.


Der Tag hatte dann noch eine Überraschung für uns bereit. Nach den guten Neuigkeiten, dass ich bereits nach 24h mein Work&Holiday-Visa für Australien im Postfach hatte, fluchte unser niederländischer Zimmergenosse über seine vielen ‚Mückenstiche‘. Wir guckten uns an. Mücken? Nö, haben wir hier noch Keine gesehen. Er zeigte uns das Elend an überdimensionalen feuerroten Bissen, und mir dämmerte es. Oh Shit! Bettwanzen!

Um eine Freundin zu zitieren: „Igitt igitt, bäh, pfui, brrr, ekel, schrei!“ Ich hätte es nicht besser formulieren können. Diese Viecher sind einfach nur widerlich! Unser werter Zimmergenosse hat sich in Grund und Boden geschämt, dabei konnte er gar nichts dafür. Er hatte sie unwissend in seinem Schlaf-Inlay direkt aus Uruguay eingeführt und vermutlich nicht nur ein oder zwei Individuen mitgebracht, sondern ein ganzes Nest. Und da krabbelten sie, an den Wänden, auf dem Kopfkissen und Lacken! Klein, schwarz, fies und voller Blut. Super, die Nacht war dahin, der Schlaf durch Flucht aus den Betten unterbrochen. Unsere einzige Waffe, Licht! Und wir versuchten mit den uns gegeben Mitteln die Tierchen vom Einzug in unser Gepäck abzuhalten. Was auch hoffentlich geklappt hat, bisher hab ich noch nix wieder gesehen.


Nach diesem etwas untypischen Reiseerlebnis ging es für mich wieder allein weiter und ich lies auch Argentinien hinter mir. Kurz vor Puerto Natales überquerte ich die chilenische Grenze und war am südlichsten Punkt meiner Südamerikareise angekommen. Und ja, irgendwie ist es anders in Chile. Wenn es auch zu Patagonien gehört, hebt sich Chile doch von Argentinien ab. Der Stil der Häuser ist sehr eigen, man kann es mit nichts vergleichen, die Menschen sind etwas weniger aufgeschlossen, sprechen dafür aber fast alle englisch. In den Hostels ist es teurer, dafür das Frühstück besser, es wird kein Mate-Tee getrunken und irgendwie ist der allgemeine Lebensstandard mit dem in Europa vergleichbar. Chile selbst, ist auf eine andere Art sehr schön; weniger flach, und mehr Vulkane, besitzt das schmale Land; sowohl die trockenste Wüste als auch riesige Gletscher.

Mit einem Tag der Rast und Vorbereitung auf meinen ersten längeren Trekk, ging es am Folgetag früh mit dem Bus zum Parkeingang der Torres del Paine, dem Wanderparadies Chiles. Drei Tage hatte ich mir im sogenannten W vorgenommen und zusammen mit einem Schweden haben wir am ersten Tag direkt die Türme in Angriff genommen. Nach 3 Stunden steilem Aufstieg, bei welchem ich mehrfach erwähnte, dass dies wohl nicht nur mein erster, sondern auch mein letzter Trekk sein würde, erreichten wir das Refugio, wo uns unser Zelt bereits erwartete. Dann ging es weniger bepackt nochmals 3 Stunden in Richtung der Torres. Leider waren Diese vollkommen in Wolken verhüllt, so dass wir bis auf ein paar Umrandungen nichts sehen konnten. Wir haben es auch nicht bis ganz hoch geschafft, was zugegebener Weise nicht an unserer Ausdauer lag (von welcher selbst ich recht beeindruckt war), sondern dem Umstand der herannahenden Nacht unterzuschieben ist. Wir mussten umkehren, denn bei Dunkelheit im Nationalpark herumirren erschien uns bei den dortigen Wegverhältnissen, der einem Hürdenlauf gleichkommen könnte, als eine eher unausgereifte Idee. Also ging es innerhalb von 2 Stunden wieder zurück über Stock, und Stein.



Am nächsten Tag waren die Torres natürlich frei, aber wir mussten weiter. Das Wetter war sogar recht gut. Über wilde Wiesen entlang des Steilhanges wanderten wir talwärts Richtung See. Es ging hoch und runter, wieder über Felsen, Brücken und Bäche und die Füße trugen mich, trotz ständig abfeuernden Schmerzimpulse, weiter und weiter. Und nach einer gewissen Zeit erfreut man sich sogar am Laufen, vor allem wenn man die hohen Berge erreicht, die erhaben und stolz über die Landschaft zu wachen scheinen.


Es ist sehenswert, dieser Ort, wo der Andenkondor seine Bahnen zieht und die Wolken, wie in Zeitlupe an den Bergkuppen hängen bleiben, bevor der Wind sie wegträgt. Lange verweilen meine Blicke an jenen Wolken. Wie erinnern mich an meine eigene Reise und ein Lächeln legt sich auf meine Lippen.


Ein großes Lob muss ich an dieser Stelle mal meinem Rucksack aussprechen. Alle Last war beim Wandern komfortabel auf Hüfte und Rücken verteilt, so dass die Schultern wirklich nichts tragen mussten. Nix tat weh. Das schafft nicht mal mein kleiner Tagesrucksack. Also: gut gemacht Deva60 von Gregory.


Im nächsten Camp angekommen, nach 7 langen Stunden des Laufens, haben wir unser Abendbrot auf dem kleinen Campingkocher zubereitet und sind nach einer nötigen Dusche Schlafen gegangen. Schließlich hieß es 5:30Uhr aufstehen, damit wir noch das French Valley schaffen. Es lagen gut 8-10 Stunden wandern vor uns. Womit wir wirklich nicht gerechnet haben, war ein Sturm mit Ausmaßen, eines gefühlten Hurrikane. Der Tag begann bereits mit dem Bangen, dass uns das Zelt wegwedelt, gefolgt von ständigen seitlichen ‚Regen‘. Der Wind hob das Wasser vom See auf und wirbelte es durch die Luft. Ich habe so etwas noch nie erlebt, meine Sonnenbrille auch nicht. Die war nach kurzer Zeit weg, zerschmettert am Fels und irgendwo in die Büsche geflogen. Mist! Danach wäre ich fast an der Reihe gewesen. Wirklich, ungelogen, ich habe mich mehrmals an den Ästen der Bäume festgeklammert. Trotzdem bin ich tapfer den Weg bis zum nächsten Refugio gestolpert und habe versucht dem Wind zu trotzen.


Das French Valley war natürlich nicht passierbar, und der Ranger schickte uns weiter. Ich war jetzt nicht ganz so traurig darüber, fing es auch noch wie aus Eimern an zu schütten und innerhalb von 10 Minuten fühlte ich mich wie ein Fisch im Wasser. Nein, nicht glücklich - Nass! Also ging es nochmals 2 Stunden durch verbrannte Wälder und Flüsse, bis ich schließlich dankbar den Katamaran erreichte, der mich zurück in die Zivilisation brachte.


Und das Bizarre: Nach 3 Tagen, gut 29km über 800 Höhenmeter und 21 Stunden laufend, mit gepackten Rucksack, bei Wetterverhältnissen, die gegensätzlicher nicht hätten sein können, und Füßen, welche absterben wollten, muss sagen; ich würde es wieder tun! Ich war so stolz. Trotz Asthma und ohne Training oder Erfahrung, bin ich durch Chiles raue Natur gestapft und ich fühlte mich kaputt wie lange nicht mehr, aber ich hatte es geschafft! WOOT!




Der letzte Tag in Puerto Natales verlief dann recht ruhig, denn bis auf einige organisatorische Sachen, musste ich nur das Gepäck auf dem Schiff einchecken und mir eine neue Sonnenbrille besorgen. Spät am Abend ging es dann auf die Navimag-Fähre, die mich entlang der chilenischen Fjorde nach Puerto Montt bringen sollte.


Ich war so aufgeregt, 4 Tage lang mal nichts tun, nur die einzigartige Umgebung genießen und die Seele ein wenig baumeln lassen. So hatte ich mir das vorgestellt. Es ging auch direkt los mit einem wunderschönen Sonnenuntergang über dem Meer im Schatten der Wolkenverhangenen Anden. Danach bin ich ins Schiff-Dorm eingezogen, was soviel heißt wie: die Backpacker in der low-budget Kategorie dürfen im Vorhang-Doppelbett auf dem Gang schlafen; was wirklich mehr Spaß macht, als man es sich vielleicht vorstellen mag. 


Die Tage an Bord waren sehr erholsam und schön. Ich habe Seelöwen im Wasser springen, einen Krillschwarm rot schillernd im Wasser treiben und Albatrosse über die Wellen gleiten sehen und auch wenn wir am ersten Tag Regen hatten, gab es in der Ferne Delfine. Den sonnigen zweiten Tag, habe ich fast nur auf dem Deck verbracht und die Landschaft aufgesogen. Ich habe mich mit anderen Reisenden ausgetauscht und sogar Seemannsknoten gelernt; auch Dokumentarfilme gab es im Unterhaltungsprogramm und ein altes Wrack mitten im Kanalsystem der Fjorde. Meiner Liebe zum Lesen habe ich ebenso freien Lauf gelassen und bin im ‚Clockwork Prince‘ und ‚City of Fallen Angels‘ versumpft und Buch nach Buch verschlungen.


Der Tag endete schließlich mit dem Highlight schlechthin. Ein Zwergwal schwamm neben der Fähre für ca. 3 Minuten und ist gut fünf mal Luft-ausstoßend aufgetaucht. Toll mitten im abendlichen feuerrotem Sonnenuntergang. Traumhaft schön das offene Meer, so unendlich wie Patagonien selbst.


Die Fjorde sind auf ihre sehr einsame Art faszinierend. Die Wolken hängen tief in den bewaldeten Inseln und untermalen die wilde Natur. Hier wohnt keiner, das Leben darf in Ruhe verweilen. Und es verwundert mich nicht, dass ich beim ersten Karaoke in meinem Leben das für mich passende Lied zum Singen gefunden hatte. ‚Life is a Flower'...
Ich befinde mich immer noch auf dem Schiff, während ich diese Zeilen schreibe und blicke auf die Weite der Bergwelt Chiles, die nun im Hintergrund von Vulkanen untermalt wird. Vielleicht lässt sich ja doch noch ein Orca oder Blauwal blicken, man darf bis ans Ende hoffen.


Heute Abend ist Abschiedsfeier, was mit Bingo beginnt und Tanzen endet, und für mich in doppelter Hinsicht ein neuen Wegepunkt in meiner Reise darstellt, geht nicht nur die Fahrt auf dem Schiff dem Ende entgegen, sondern auch meine Zeit in Südamerika. In 4 Tagen verlasse ich den Kontinent von Santiago de Chile aus und reise weiter in die Karibik. Ich muss sagen, am Ende ist mir vor allem Patagonien sehr ans Herz gewachsen. So wild, so voller Leben und doch irgendwie einsam, wirkt dieses unendliche Land. Die Natur lässt sich hier nicht vom Mensch bezwingen, weder die Gletscher, noch die Anden, der Wind oder die trockenen Steppen - sie alle bestehen, erhaben, über eine Zeit jenseits der Geschichte, wie sie in den Büchern zu finden ist. Und vielleicht ist es genau das; das Auslaufen der Zivilisation, das uralte Spiel der Elemente und der Beginn des Eismeeres, welches letztendlich in deren Zusammentreffen, doch das Ende der Welt markiert.